Samstag, 6. Dezember 2008

Karambolage - Au Lit

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Ein weiterer Klassiker in deutsch-französischen Beziehungen ist die französische Art, ein Bett zu machen: Laken und Wolldecke, fest unter die Matratze geklemmt. Ich nenne es das Taschenbett, weil man darin wie in einer engen Tasche liegt. Das Phänomen hat Karambolage vor einigen Monaten bis ins Detail erklärt, hier nachzulesen. Für Deutsche ein Gräuel, weil sie sich in Folge ihres Bewegungsdrangs im Laufe der Nacht meist unter der kratzigen Wolldecke wiederfinden und das Laken als Knäuel auf den Boden oder in den Fußbereich verschwunden ist.

Meine Theorie dazu war immer, daß Franzosen dieses Gefühl der Enge, des Gefangenseins brauchen, um durch die Nacht zu kommen. Für sie ist es Geborgenheit. Sie wollen sich gar nicht bewegen können. Dazu paßt auch, daß sie statt eines Kissens mit einem Traversin zufrieden sind. Diese dicke Nackenrolle ist nur bei möglichst regloser Rückenlage ansatzweise erträglich. Man liegt im Taschenbett mit gestütztem Hinterkopf ein bißchen wie aufgebahrt im Sarg, und dazu gehört noch die gruftartige Verdunklung: Für Franzosen muß es zum Schlafen im Zimmer stockduster sein, alle Fensterläden, Rollos und Vorhänge müssen fest verschlossen sein, kein Lichtschimmer darf ins Zimmer dringen. Ich habe schon so manche Nacht in der Hotelbadewanne verbracht, weil ich nur dort mein Buch zu Ende lesen durfte. Und ich bin, wie ich weiß, auch nicht die einzige, die in Hotelzimmern zuerst das Taschenbett auseinanderreißt, das Traversin wegschiebt und sich Kopfkissen aus Handtüchern und Kleidungsstücken bastelt.

Nun habe ich noch ein bißchen recherchiert und gemerkt, daß es solche Reflexionen natürlich schon längst und viel besser gibt: Von Michael Rutschky, hier und hier bei Karambolage. Die Nackenrolle als Landzunge, auf der man sich liebende Blicke zuwerfen kann, sehr schön. (Nur am Rande: Sind daher diese Plastikunterlagen auf den Matratzen auch so ein französisches Phänomen?)

Um ehrlich zu sein, ist das Taschenbett auch in Frankreich auf dem Rückzug und macht der Bettdecke mit Bezug immer mehr Platz. Über die Grenzen hinweg gleichen sich die Lebenswelten an, was ist schon noch "typisch". Irgendwann werde ich das Taschenbett noch vermissen.


Another reflection about French habits, this time relating to bedding and sleeping.

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